Tinnitus – Allgemeine Informationen

Tinnitus, abgeleitet von dem lateinischen Wort „tinnere“ (übersetzt: klingeln), bezeichnet jegliche Form von Ohr- oder auch Kopfgeräuschen. Es ist ein Symptom, von dem inzwischen fast jeder 10. Bundesbürger betroffen ist. Für rund 90% der Betroffenen stellt das Ohrgeräusch jedoch gar kein gravierendes Problem dar. Vielmehr gehen diese Menschen oft sogar liebevoll und scherzhaft mit dem Symptom um: „Ich habe einen kleinen Mann im Ohr“ oder „Ich habe mein Orchester immer dabei“.

(A) Das Gehirn ist durch ein natürliches Filtersystem in der Lage, zwischen akustisch wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden.

Wichtige Informationen werden bewusst wahrgenommen, unwichtige werden einfach überhört. In der Regel haben Ohrgeräusche als körpereigene, also vom Körper selbst produzierte Geräusche keine Bedeutung und werden genauso wie Herz- oder Pulsschlag, Magengeräusche u.ä. einfach überhört. Liegen jedoch Umstände vor, die einen regelrechten Alarm im Körper auslösen, nehmen wir solche körpereigenen Geräusche plötzlich bewusst wahr: Wir spüren unseren Herzschlag, wenn wir uns vor etwas erschrecken; der Magen knurrt, wenn wir Hunger haben. Aufgrund dieser Alarmsituation (Schreck, Hunger etc.) werden die unwichtigen Körpergeräusche plötzlich wichtig. Sie werden nun bewusst wahrgenommen, denn nur so können wir auf diesen Alarm mit entsprechenden Maßnahmen reagieren. Also eine durchaus positive Einrichtung des menschlichen Organismus.

(B) Nachdem wir in irgendeiner Weise auf diesen Alarm reagiert haben und die eigentliche Ursache behoben ist, ist das Signal für den Körper nicht mehr von Bedeutung.

Es wird dann wieder als unwichtig eingestuft und weggefiltert. Ist dies jedoch nicht der Fall, kann das Filtersystem gestört sein. Es lässt vermeintlich „wichtige“ Signale in unser Bewusstsein dringen, die eigentlich überflüssig und unbegründet sind. In diesen Fällen liegt eine zentrale Verarbeitungsstörung im Gehirn vor. Dies bedeutet nicht, daß die Betroffenen einen Gehirnschaden haben oder etwa verrückt sind! Vielmehr unterliegt das Gehirn schlichtweg einer Fehleinschätzung.

(C) Dieses Phänomen ist z.B. aus der Schmerztherapie bekannt.

So empfinden z.B. Phantomschmerz-Patienten mitunter massive Schmerzen an Körperteilen, die nach einer Amputation tatsächlich gar nicht mehr vorhanden sind. Diese Körperteile waren über einen längeren Zeitraum starken Schmerzen ausgesetzt, d.h. das Gehirn empfing und verarbeitete dementsprechende Schmerzsignale. Nach einer Amputation sind diese Körperteile nicht mehr vorhanden, dennoch empfinden die Patienten genau dort weiterhin Schmerzen: Der kleine Finger an der rechten Hand schmerzt, selbst nach der Amputation. Hier liegt das Problem also nicht am kleinen Finger, sondern in der Schmerzverarbeitung im Gehirn: Das Gehirn ist davon überzeugt, der Finger ist noch da und sendet entsprechende Schmerzsignale.

(D) Ähnlich verhält es sich in vielen Fällen auch bei Ohrgeräuschen.

Das Gehirn hat das Verschwinden einer möglichen Ursache schlichtweg nicht bemerkt und nimmt weiterhin die entsprechenden Signale wahr. Man spricht hier vom sogenannten Tinnitus-Gedächtnis.

Das Filtersystem beschränkt sich allerdings nicht nur auf die bloße Wahrnehmung. Es ist eng verbunden mit den Gedanken und Emotion des Menschen, die das Wahrgenommene gleichzeitig auch bewerten. Diese Verbindung kann den zu filternden Sinneseindruck verstärken oder auch abschwächen. Für Ohrgeräusch-Patienten heißt dies: Solange ich das Ohrgeräusch als wichtig empfinde und bewerte, höre ich es auch. Ziel einer Behandlung muss es also demnach sein, diesen Kreislauf zu unterbrechen und aktiv Einfluss darauf zu nehmen.

Es gibt sehr vielfältige Ursachen für das „Alarmsignal Ohrgeräusch“: Durchblutungsstörungen im Innenohr, Knalltrauma, Lärmtrauma, Kiefergelenksprobleme, Halswirbelsäulenprobleme, Nebenwirkungen von Medikamenten usw. In diesen Fällen ist die Schulmedizin gefragt. Aber was ist, wenn keine organische Ursache für das Ohrgeräusch festzustellen ist oder die schulmedizinischen Diagnostiken und Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen?

Neben den zuvor genannten Auslösern versetzen auch andere Faktoren wie z.B. langanhaltende Belastungen („Stress“) unseren Körper in Alarm.

Im Rahmen unserer langjährigen Behandlung von Tinnitus-Patienten wurde uns immer wieder bestätigt, daß der Tinnitus meist als psychosomatische Reaktion des Organismus auf Belastungen im beruflichen, privaten und sozialen Umfeld zurückzuführen ist.